Bitcoin

Über Treuhänder, Autonomie und Angriffe auf Bitcoin

Treuhänder haben in der Krypto-Welt einen schlechten Ruf. Manche sehen sie als ein notwendiges Übel, andere als Angriff auf den Kern von Bitcoin. Warum eigentlich? Und wo verläuft die Grenze?

Manchmal wirkt es vermutlich so, als wären Bitcoiner gegen Treuhänder. So schallt es von allen Seiten, man solle seine Schlüssel unbedingt selbst verwahren, anstatt seine Coins einer Börse anzuvertrauen. Not Your Keys, not Your Coins!

Lightning sei, wettern wir hier auf dem Bitcoinblog.de an dem einen Tag, schon quasi gescheitert, weil sich Treuhandwallets durchsetzen. Am nächsten Tag maulen wir über die dwpbank, weil die Kryptowährungen, die sie zu den Volksbanken und Sparkassen bringt, gar keine echten Bitcoins seien, sondern eine Art Wertpapier, da man die Schlüssel nicht selbst verwahren kann.

Übertreiben wir?

Das Thema der Selbstverwahrung liegt der Szene am Herzen, und desto näher, je idealistischer der Einzelne ist. Man kann das damit erklären, dass wir, als Bitcoiner, vermutlich an nichts so sehr glauben wie an das, was der eCash-Gründer David Chaum schon in den 90ern mit einem berühmten Spruch ausgedrückt hat: “Der Unterschied zwischen einem schlechten elektronischen Cash-System und einem gut-entwickelten digitalen Bargeld wird entscheiden, ob wir in einer Diktatur oder einer echten Demokratie leben.”

Technologie ist nicht neutral. Die Konfiguration der Technologie, wie sie beim User ankommt, entscheidet darüber, wie wir leben. Technologie kann die Macht der Tyrannen stärken oder brechen, sie kann Menschen freier und autonomer machen oder versklaven und in Abhängigkeit führen. Alles hängt davon ab, welche Handlungen eine Technologie befördert und erschwert.

Bitcoin ist eine Technologie, die in selten weitem Ausmaß Freiheit und Autonomie stärkt. Darum entzündet die Kryptowährung auch eine so starke Begeisterung, die weit über das Investment hinausreicht. Bitcoin nimmt dem Staat die Fähigkeit, die Bürger über die Inflation für seine Verschwendungssucht bezahlen zu lassen, und gibt dem Bürger erstmals die Möglichkeit, digitale Werte autonom zu verwahren, also unabhängig von dritten Parteien. Darum sagte Michael Saylor auch, mit Bitcoin könnten Menschen zum ersten Mal wirklich etwas besitzen. Was natürlich übertrieben ist, aber doch einen wahren Kern hat.

Smart Contracts und Dezentrale Finanzen (DeFi) treiben diese Konfiguration noch eine Stufe weiter, weil sie es erlauben, nicht nur die Schlüssel für digitale Werte aller Art selbst zu verwahren – sondern sie auch dann noch zu behalten, wenn man diese Werte beleiht, verleiht oder wechselt.

Falls ihr es noch nicht getan habt, solltet ihr euch unbedingt mit den vielen schönen Möglichkeiten beschäftigen, eure Coins selbst zu verwahren. Ich mag solche Kategorien nicht, aber wenn ihr das nicht zumindest mal probiert hat, seit ihr kein Bitcoiner.

Allerdings ist das Thema hier noch nicht zu Ende. Wie alle Schwarz-Weiß-Bilder unterschlägt die Gleichung, dass Treuhänder per Definition schlecht sind, gerade die Farbtöne, die eine Sache erst interessant machen. Denn Treuhänder sind eben nicht per Definition schlecht. Ich nehme sie selbst in Anspruch, und nur ausgesprochene Hardliner verzichten gänzlich auf sie.

Je nach Konfiguration können Treuhänder wertvolle Dienste leisten. PayPal beispielsweise macht es als Trust-Agent möglich, ohne Anmeldung in jedem Online-Shop einzukaufen, ohne zu fürchten, betrogen zu werden. Auf diese Weise dezentralisiert der Treuhänder PayPal das Online-Shopping weg von Amazon. Sinnvoll eingesetzte Treuhand schafft Freiheit.

Auch Treuhänder, die Bitcoins und andere Kryptowährungen für euch verwahren, können günstige Funktionen freischalten. Im Idealfall sind sie Experten dafür, Coins sicher zu verwahren, haben ihre Bestände versichert und im Zweifel auch die Reserven, um ihre User bei Verlusten zu entschädigen, was diese in der richtigen Jurisdiktion – etwa in Deutschland – auch einklagen können. Ein gutes Beispiel dafür ist Bitcoin.de. Man sollte diese Art der Treuhänder niemals ausschließen, wenn man mit kühlem Kopf Risiken kalkuliert. Ein ideologischer Reinheitsanspruch führt nur einseitige Risiken ein.

Ähnlich bei Lightning-Wallets. Viele User verwenden Treudhand-Wallets, um mit Lightning zu bezahlen, oder treuhänderische Tipbots auf Telegram. Wenn diese Wallets helfen, Lightning besser zu benutzen, Mikrotransaktionen zu versenden, die man ansonsten nicht versenden könnte – super. Wenn sie es erlauben, Gebühren zu sparen, Geld günstig und schnell durch die Welt zu senden, auf Telegram Tips zu geben, neue User in Bitcoin einzuführen – super! Es ist eine rationale Kalkulation, neue Funktionen zum Preis der Treuhand zu erschließen.

Warum aber wettern wir dann gegen Treuhänder? Ist das alles nur Pose und das Hausieren mit einem kurzgedachten Idealismus? Womöglich gar Clickbait?

Tatsächlich besteht das Problem mit der Treuhand nicht, wenn sie eine Option ist. Wenn man sich entscheiden kann, Bitcoins bei einer Börse ein- oder auszuzahlen, ist das vollkommen in Ordnung. Man hat die Wahl, seine Schlüssel selbst zu speichern – oder nicht. Und genau das, diese Wahlmöglichkeit, ist der Kern von allem.

Bitcoin und andere Kryptowährungen erlauben es Usern, ihre Coins selbst zu verwahren. Sie machen es für die User extrem einfach, und bieten mit den Seed-Phrasen auch bequeme Backup-Optionen. Man muss es nicht, aber man kann, und die Technologie selbst ist so konfiguriert, dass sie es einem möglichst einfach macht. Das ist wichtig: Die Option allein ist nicht genug – es muss auch einfach sein. Ansonsten endet man mit einer Zweiklassengesellschaft, in der eine kleine Elite Autonomie genießt, und die 99,9 Prozent in Abhängigkeit verharren.

Dies macht alles, was die Konfiguration von Bitcoin dahin verschiebt, dass die Selbstverwahrung schwieriger wird, zu einem Angriff auf Bitcoin:

Wenn die EU vorhat, eigene Wallets regulatorisch zu benachteiligen, greift sie Bitcoin an.
Wenn Lightning es per Design erschwert, nichttreuhänderische Wallets zu benutzen, greift es Bitcoin an.
Wenn eine Bank wie die dwpbank es anderen Banken erlaubt, Bitcoins zu verkaufen, aber die Käufer nicht die Option haben, die Bitcoins aus der Treuhandwallet herauszusenden, dann — ihr ahnt es: greift sie Bitcoin an.

Natürlich kann man verschiedene Einschränkungen vornehmen. Wenn User Lightning-Treuhänder in vollem Bewusstsein für kleine Beträge verwenden, oder wenn sich Lightning-Wallets dahin weiterentwickeln, die Treuhand doch noch einfach zu machen. Doch wenn Lightning beim derzeitigen Stand der Wallets zum Massenzahlungsmittel wird, so dass die normalen User niemals die Blockchain berühren – dann ist es ein Angriff auf die essenzielle Konfiguration von Bitcoin.

Treuhand selbst ist kein Angriff auf Bitcoin. Sie ist eine Dienstleistung, die Bitcoin und Krypto zugute kommt. Ein Angriff wird daraus aber, wenn dem User die Option genommen – oder auch nur erschwert – wird, die Schüssel für seine Coins selbst zu verwahren. Dieser feine Unterschied ist nicht immer einfach zu erkennen, aber enorm wichtig.

   

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